Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch befeuert die Debatte um den Umgang mit der Partei in vielen Ländern neu. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) spricht von einer Entscheidung mit «kaum zu unterschätzender Tragweite». Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bleibt aber zurückhaltend mit Blick auf ein mögliches Streben nach einem Verbot der Partei.
«Ein Verbotsverfahren muss sorgfältig bedacht werden, denn die Hürden sind hoch. Das ist eine schwierige Entscheidung», sagte Weil am Rande des evangelischen Kirchentags in Hannover. Er hoffe auf eine sachliche Diskussion, die vor allem zwischen dem künftigen Bundesinnenminister und dessen Kollegen in den Ländern zu führen sein werde.
Weil: AfD hat derzeit sehr viele Anhänger in unserer Gesellschaft
«Wir wissen, welche politische Brisanz hinter einem solchen Verfahren steht, wir wissen auch, dass die AfD derzeit sehr viele Anhänger in unserer Gesellschaft hat», sagte Weil. «Andererseits ist das Konzept der wehrhaften Demokratie in Deutschland gerade darauf gerichtet, dass eine Verfassung sich verteidigen können muss.»
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im Bund zuvor als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet, teilte der Inlandsgeheimdienst mit.
AfD-Landeschef: Skandal-Entscheidung
Niedersachsens AfD-Landeschef Ansgar Schledde bezeichnete die Einstufung als einen ungeheuerlichen Vorgang. «Dieser Verfassungsschutz-Befund, der unsere Partei mal eben zum Staatsfeind erklärt, entbehrt jeder Grundlage», sagte er. Das wisse am Ende jeder, der sich näher mit der Partei beschäftige.
Aus Sicht der niedersächsischen AfD treffe eine bereits abgewählte Bundesregierung diese Skandal-Entscheidung auf den letzten Metern ihrer schwindenden Macht. Es handele sich um einen «beispiellosen Missbrauch staatlicher Macht», sagte Schledde.
Bearbeitung der AfD in Niedersachsen als Verdachtsfall endet 2026
Für Innenministerin Behrens ist die Entscheidung angesichts der zigfachen menschenverachtenden Äußerungen ihrer Repräsentanten in den vergangenen Monaten keine Überraschung. «Auf die Einstufung der AfD Niedersachsen als Verdachtsobjekt des Verfassungsschutzes hat das Gutachten zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen», sagte sie.
Mögliche Erkenntnisse mit Blick auf Niedersachsen sollen jedoch intensiv ausgewertet und in das weitere Einstufungsverfahren einfließen, hieß es aus dem Ministerium. Der Verfassungsschutz in Niedersachsen selbst teilte mit, dass die Bearbeitung der niedersächsischen AfD als Verdachtsfall spätestens im Mai 2026 ende. Der Landesverband ist demnach seit 2022 ein Verdachtsobjekt. Die Verdachtsphase sei aber auf zunächst auf zwei Jahre begrenzt und könne einmalig um höchstens zwei Jahre verlängert werden. Diese Verlängerung erfolgte im Mai 2024.
Lechner: Entzug der Parteienfinanzierung prüfen
Der Oppositionsführer im Landtag, CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner, sagte, die Einstufung der AfD bestätige die tägliche Wahrnehmung der Partei und vieler ihrer Funktions- und Mandatsträger. «Darüber hinaus bestätigt diese Einstufung auch unsere Haltung, mit dieser Partei auf keiner Ebene zusammenzuarbeiten.»
In Bezug auf ein Verbotsverfahren sei die CDU zwar vorsichtig. «Die Innenministerkonferenz sollte aber jetzt sorgfältig einen Antrag auf Entzug der Parteienfinanzierung prüfen. Rechtsextreme und verfassungsfeindliche Propaganda aus Steuermitteln zu finanzieren, finde ich unerträglich.»
Weil: Bundesregierung muss Vertrauen zurückzugewinnen.
Mit Blick auf das Umfragehoch der AfD forderte Regierungschef Weil: «Wenn die AfD schwächer werden soll, müssen die anderen besser werden.» Die kommende Bundesregierung habe vier Jahre Zeit, in schwierigen Zeiten gut zu arbeiten und Vertrauen zurückzugewinnen. «Das ist meines Erachtens das Entscheidende.»
Dass die vergangene Bundesregierung mit internen Streitigkeiten auffiel, sei schlecht für die betroffenen Parteien gewesen, aber auch schlecht für die politische Ordnung, sagte Weil.
Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten