Der Tatverdächtige im Fall der getöteten 16-jährigen Liana in Friedland bangte nach Angaben der niedersächsischen Landesregierung vor dem Vorfall um sein Leben. Nach einer Haftentlassung Ende Juli habe er im Grenzdurchgangslager Friedland angegeben, dass man ihn «durch Gas, Strom und Gift umbringen» wolle. Bei der Polizei sei das als ein psychisches Problem eingeschätzt worden. In einem Fachklinikum für Psychiatrie habe sich der Mann aber nur körperlich untersuchen lassen, um die angebliche Vergiftung beziehungsweise den angeblichen Einsatz von Strom überprüfen zu lassen.
Das schreibt das Innenministerium in der Beantwortung einer 147 Fragen umfassenden Anfrage der CDU-Fraktion. Zuerst berichteten die «Hannoversche Allgemeine Zeitung» und das Magazin «Focus».
Der verdächtige Iraker soll die Jugendliche am 11. August gegen einen mit Tempo 100 durchfahrenden Güterzug gestoßen und so getötet haben. Die 16-Jährige war 2022 mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Der Verdächtige ist mittlerweile in einem Fachkrankenhaus für forensische Psychiatrie untergebracht.
Verdächtiger sollte nach Litauen abgeschoben werden
Vor der mutmaßlichen Tat war der Mann bereits mehrmals auffällig geworden – so auch im Juli 2025, als er eine 20-tägige Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte, nachdem er eine Geldstrafe wegen Exhibitionismus nicht bezahlt hatte. In der Justizvollzugsanstalt habe er eine Kamera im Haftraum mit Unrat verschmutzt und eine Deckenlampe zerstört, heißt es von der Landesregierung. Daraufhin sei er in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht worden.
Gegen den Iraker hatte zudem schon seit März eine vollstreckbare Abschiebeanordnung nach Litauen vorgelegen. Die Landesaufnahmebehörde hatte daher während seiner Haft im Juli einen Antrag auf Abschiebungshaft gestellt, den das Amtsgericht Hannover aber ablehnte. Eine Beschwerde gegen diese Ablehnung legte die Landesaufnahmebehörde nicht ein.
Welches Versäumnis die Ministerin in der Aufnahmebehörde sieht
Diese Entscheidung hätte rückblickend anders getroffen werden sollen, sagte Innenministerium Daniela Behrens (SPD) heute im Innenausschuss des Landtags. Ob das Gericht dann anders entschieden hätte, sei aber spekulativ. Das Land bereite derzeit Musterhaftanträge vor und prüfe weitere Maßnahmen, um untergetauchte Menschen leichter in Gewahrsam nehmen zu können.
Nach Angaben der Landesaufnahmebehörde sind abgelehnte Haftanträge vergleichsweise selten. Von September 2024 bis August 2025 habe seine Behörde 70 Haftanträge gestellt, von denen nur sechs abgelehnt worden seien, sagte der Präsident der Landesaufnahmebehörde, Klaus Dierker.
«Müssen zu einfacheren Verfahren kommen»
«Wir müssen beim Thema Asyl- und Aufenthaltsrecht zu einfacheren Verfahren kommen», forderte Behrens. Der Fall Friedland zeige wie unter einem Brennglas die Dysfunktionalität des Dublin-Verfahrens, das die Verteilung von Asylbewerbern in Europa regelt. Zu viele Behörden seien derzeit daran beteiligt.
Behrens stellte im Umgang mit psychisch kranken Menschen zudem einen besseren Informationsaustausch zwischen Gesundheits- und Sicherheitsbehörden in Aussicht. Die Sicherheitsbehörden müssten bei Fremdgefährdungen schnell eingreifen können, gleichzeitig dürften psychisch Kranke aber nicht stigmatisiert werden, sagte Behrens.
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