Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) ist für ein AfD-Verbotsverfahren, sollten die Voraussetzungen wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen erfüllt sein. Ob die Voraussetzungen vorliegen, müsse sehr genau analysiert werden, sagte Lies der Deutschen Presse-Agentur.
«Das sind hohe Hürden, aber wenn sie realistischerweise genommen werden können, ist Politik gezwungen, zu handeln», sagte der SPD-Politiker. «Wir haben dann die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass eine solche Partei verboten oder zumindest von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen wird. Das folgt aus unserer Verantwortung für den Rechtsstaat.»
Zu den Voraussetzungen zählt laut Lies, dass die Partei wesentliche Elemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung abschaffen möchte und dieses Ziel mit einer gewissen Intensität verfolgt. Zudem müsse es möglich erscheinen, dass die verfassungsfeindlichen Bestrebungen auch Erfolg haben könnten.
Dobrindt warnt vor «bösem Erwachen»
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hatte vor einem Verbotsverfahren gewarnt. «Wer glaubt, man könne juristisch gegen die AfD und ihre Stimmungsmache gewinnen, wird ein böses Erwachen erleben», sagte der CSU-Politiker Anfang Juni den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, einen politischen Mitbewerber juristisch ausschalten zu wollen.» Stattdessen wolle er die AfD politisch bezwingen.
Auch Lies betonte, man habe die Verantwortung, Politik wieder stärker so zu machen, dass mehr Menschen anderen Parteien als der AfD vertrauen. «Die AfD hat auch deshalb so hohe Zustimmungswerte, weil wir einige Bürgerinnen und Bürger ein Stück weit verloren haben als demokratische Parteien», sagte der Regierungschef. Deswegen brauche es eine neue, konstruktive Politik. «Es geht mir darum, wie wir als Gesellschaft beieinander bleiben und wieder zueinanderfinden, wo wir derzeit Spaltung erleben.»
«Wir werden die Veränderung nicht aufhalten»
Einen Grund für das Erstarken der AfD, gerade bei Arbeitern als früher klassische SPD-Klientel, sieht Lies in den Sorgen vieler Menschen, wie es weitergeht. «Wir werden die Veränderungen aber nicht aufhalten. Wir werden eine veränderte Wirtschaft haben, mehr Digitalisierung und wir werden einen Umbau in der Gesellschaft haben.»
Die Politik brauche daher Nachweise, dass ihre Lösungswege funktionieren – in der Wirtschaft etwa mit Leitmärkten für grünen Stahl oder Märkten für Elektrofahrzeuge. «Die Menschen müssen spüren, dass dieser dringend notwendige Weg der CO2-Reduktion auch dafür sorgt, dass es ihnen morgen weiterhin gut geht. Das ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen», sagte Lies. Ein Streit über den richtigen Weg werde dagegen niemanden beruhigen.
AfD in Niedersachsen seit drei Jahren ein Verdachtsobjekt
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Dagegen geht die Partei juristisch vor. Bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln hat der Inlandsgeheimdienst die neue Einstufung auf Eis gelegt.
In Niedersachsen ist der AfD-Landesverband für den Verfassungsschutz seit Mai 2022 ein Verdachtsobjekt. Am Donnerstag stellen Innenministerin Daniela Behrens (SPD) und Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril in Hannover den Verfassungsschutzbericht für 2024 vor.
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