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Zahl judenfeindlicher Taten enorm gestiegen

Nach dem Brandanschlag auf die Oldenburger Synagoge wurde lange nach dem Täter gefahndet. Als Verdächtiger wurde Monate später ein psychisch kranker Mann gefasst. (Archivbild) / Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Nach dem Brandanschlag auf die Oldenburger Synagoge wurde lange nach dem Täter gefahndet. Als Verdächtiger wurde Monate später ein psychisch kranker Mann gefasst. (Archivbild) / Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Herbst 2023 wächst der Antisemitismus auch in Niedersachsen. Jüdinnen und Juden sehen sich zunehmend Angriffen ausgesetzt. Steigt die Brutalität?

Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Niedersachsen hat sich fast verdoppelt und einen neuen Höchststand erreicht. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) zählte im Jahr 2024 insgesamt 650 Taten, darunter Angriffe, Bedrohungen und Sachbeschädigungen. 

RIAS-Projektleiterin Katarzyna Miszkiel-Deppe nennt diese Entwicklung ein alarmierendes Signal: «Antisemitismus war 2024 für viele Jüdinnen und Juden 
keine abstrakte Bedrohung, sondern brutale Realität: auf der Straße, in Schulen, online und selbst an Schutzorten wie Synagogen», sagte sie. Diese Entwicklung dürfe weder verharmlost noch als Randerscheinung abgetan werden. 

Brandanschlag auf Synagoge als Fall extremer Gewalt

Dem Bericht zufolge wurden im vergangenen Jahr drei Fälle extremer Gewalt registriert, darunter ein Brandanschlag auf die Synagoge in Oldenburg. Ein psychisch kranker 28-Jähriger gestand die Tat - er soll sie im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben. Darüber hinaus wurden 16 körperliche Angriffe erfasst, von denen die Hälfte Bezug zu Israel hatten. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat die Zahl der judenfeindlichen Taten in Niedersachsen deutlich zugenommen. 

Im vergangenen Jahr waren laut RIAS 215 Personen direkt betroffen, 2023 waren es 211. In 63 Fällen wurde israelbezogener Antisemitismus dokumentiert, gefolgt vom sogenannten Post-Schoa-Antisemitismus. Damit sind Taten gemeint, die die Erinnerung an den Holocaust, Verantwortung und Schuld abwehren. Im Nationalsozialismus (1933-1945) wurden laut wissenschaftlicher Erkenntnis rund sechs Millionen Juden getötet.

Gemeindechef spricht von «alarmierender Eskalation»

Die Recherchestelle ist in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung und wird vom Bund, Land und der Stadt Hannover gefördert. Sie erfasst auch Vorfälle, die nicht als Straftaten eingestuft werden. RIAS geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Jüdinnen und Juden Erlebnisse aus Angst oder mangelndem Vertrauen nicht anzeigten. 

Jüdische Gemeinden in Niedersachsen forderten mehr Anstrengungen gegen Judenfeindlichkeit. Die antisemitischen Straftaten würden deutlich brutaler und gefährlicher verübt, sagte die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Oldenburg, Claire Schaub-Moore, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg. Der Chef der Osnabrücker Gemeinde, Michael Grünberg sagte: «Wir müssen uns ernsthaft fragen, ob der bisherige Umgang mit antisemitischen Straftaten noch angemessen ist – oder ob es nicht längst an der Zeit ist, deutlich rigoroser dagegen vorzugehen.» Die Eskalation sei alarmierend.

Im November wurde in Niedersachsen eine Kampagne gegen Antisemitismus gestartet. Gerhard Wegner, Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, stellte dennoch fest: «Der Antisemitismus wächst und wächst.» 

Wegner nannte mehrere konkrete Beispiele, unter anderem, dass «ein offen antisemitischer Rapper» zu einem großen, populären Konzert eingeladen würde. Am geplanten Auftritt von Macklemore beim Festival Deichbrand im Juli gibt es massive Kritik. Der Zentralrat der Juden wirft dem US-Rapper «Propaganda» vor und hatte vor dem Besuch des Festivals im Landkreis Cuxhaven gewarnt.

Wegner sagte, ihn erreichten zuletzt «fast täglich Meldungen über antisemitische Provokationen, Belästigungen vor allem durch Palästinenser und ihre Freunde in Niedersachsen». Zudem gebe es «oft auch schlichte, plumpe Unbedachtsamkeiten im Kontakt mit Jüdinnen und Juden».

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