Das illegale Geschäftsmodell florierte prächtig: Bis zu 15.000 Euro nahm ein Duo für unrechtmäßig ausgestellte Staatsbürgerschaften und Aufenthaltserlaubnisse ein. Das Lüneburger Landgericht verurteilte nun einen Sachbearbeiter der Ausländerbehörde des Landkreises Lüchow-Dannenberg zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der 31-Jährige wurde wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme schuldig gesprochen. Er hatte nach Überzeugung des Gerichts von Januar 2022 bis Juni 2023 Einbürgerungen und Visa in 16 Fällen gegen Bezahlung ausgestellt und dabei gefälschte Papiere ignoriert. «Es ist kaum vorstellbar, dass man schwerer gegen seine Amtspflichten verstoßen kann», sagte der Vorsitzende Richter Christoph Paglotke in der Urteilsbegründung nach dem fünf Monate dauernden Prozess am Dienstag.
Die finanziell lukrative Methode funktionierte zusammen mit einem ein Jahr älteren Helfer - der ehemalige Barbetreiber vermittelte die Kontakte. Der 32-Jährige muss für insgesamt neun Jahre ins Gefängnis. Dabei wurde eine Strafe von siebeneinhalb Jahren wegen erpresserischen Menschenraubes aus dem Vorjahr berücksichtigt. Gegen das Urteil, das der Forderung der Staatsanwaltschaft entsprach, kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden.
Das höchste Gut verkauft - es ging nur ums Geld
Das gemeinsam erwirtschaftete Geld, laut Urteil 154.000 Euro, muss zurückgezahlt werden, auch die Gerichtskosten tragen die beiden. «Es ging ihnen nur ums Geld, die Erlöse wollten sie hälftig teilen», betonte Paglotke.
Das Zweierteam habe erkannt, dass es viele Menschen gebe, die Geld bezahlen würden, um eingebürgert zu werden. Dabei seien die beiden hochprofessionell vorgegangen: «Sie wollten nichts Gutes, im Gegenteil, sie haben die Kunden ausgeplündert».
Dabei sei das höchste Gut verkauft worden, was es in Deutschland gebe. Wer Deutscher sei, habe jahrelang Anspruch auf Sozialleistungen. Der Schaden sei enorm - ob die Erteilung der Staatsbürgerschaften rückgängig gemacht werden könne, sei fraglich, meinte Paglotke. Gelitten habe zudem das Ansehen der deutschen Behörden, ergänzte Pressesprecherin Christina Edinger.
Die Angeklagten hatten die Taten teilweise eingeräumt, ihre Verteidiger mildere Haftstrafen gefordert. Die Anwältin des Verwaltungsmitarbeiters plädierte für eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und führte an, dass sich ihr Mandant vom Komplizen unter Druck gesetzt gefühlt habe. Das Gericht war allerdings überzeugt, dass beide gleichwertig gehandelt haben und es eine mögliche Erpressung nicht gegeben habe.
Der Traum vom Millionengeschäft
Aufschlussreich waren auch ausführliche Chatverläufe auf den Mobiltelefonen der beiden, die der Richter vorlas. Darin ging es vor allem um den Traum von Millioneneinnahmen, die Rede war von an die 200 Kunden. Bei der vereinbarten Arbeitsteilung beschaffte der Gehilfe laut Urteil die Interessenten, die auf legalem Wege die Papiere nicht bekommen hätten.
Der ehemalige Sachbearbeiter aus Damnatz im Wendland setzte die Kunden ins Bild, nahm Fingerabdrücke und gab die vorbereiteten Vorgänge manches Mal an Kollegen weiter zur Absegnung. Immer wieder wurden Personen aus südlichen Ländern als ukrainische Kriegsflüchtlinge ausgegeben. Über fehlende Sprachzertifikate wurde hinweggesehen. Zu seinen Gunsten wurde gewertet, dass er nicht vorbestraft ist, sich entschuldigt und auch seinen Beruf verloren hat.
Behördenmitarbeit ist kein Opfer
Seine Version als Opfer, der Angst vor seinem Helfer gehabt habe, nahm ihm das Gericht nicht ab. «Sie haben sich selbst überführt», erklärte Richter Paglotke. Es gebe keinen Erpresser, der sich die Beute im Anschluss mit seinem Opfer teile. Eine wirkliche Bedrohung habe es nicht gegeben.
Für den Gehilfen hatte der Verteidiger unter Einbeziehung des vorangegangenen Urteils eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als achteinhalb Jahren gefordert. Er habe sich früh eingelassen, Reue gezeigt und auch Verantwortung übernommen, indem er sich ausführlich zu den Taten geäußert habe, sagte Richter Paglotke.
Bei der Urteilsverkündung wirkte der gelernte Bäcker sichtlich nervös und niedergeschlagen. Weil er kein Amtsträger ist, kann er nur wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit und Vorteilsnahme verurteilt werden. Nach Verfahrensende wurde er wieder ins Gefängnis gebracht, wo er seit vergangenem Sommer einsitzt.
Antragsteller beschweren sich
Die Vorgänge kamen im Herbst 2022 an Licht, als die Landrätin von dem Korruptionsverdacht berichtete. Zwei Männer hatten sich zudem gemeldet und davon berichtet, dass ein Aufenthaltstitel trotz Zahlung von 10.000 Euro nicht gültig sei. Angeblich habe ein Kontaktmann ihnen auf einem Parkplatz die Papiere übergeben, mit denen sie in der Ausländerbehörde vorstellig werden sollten.
Zwei Zeugen sagten zudem im Verfahren aus, dass sich Antragsteller bei der Behörde beschwert und gefragt hätten, warum ihre Unterlagen noch nicht fertig seien, obwohl Geld gezahlt wurde.
Ein weiterer Landkreismitarbeiter aus der IT-Abteilung wurde bereits verurteilt, weil er Daten manipuliert hatte, damit Antragsteller gefälschte Papiere bekommen konnten.
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