Experten für Munitionsaltlasten im Meer fordern eine Räumung von Kampfstoffen aus den küstennahen Gewässern der Ostsee. «Alles, was ich oberflächlich sehe und ohne groß zu baggern, wegräumen kann, sollte weggeräumt werden», sagte der Geologe Jens Greinert vor einer internationalen Fachtagung zur Munitionsräumung im Meer in Kiel. «Das ist auch nicht eine Jahrhundertaufgabe.»
Greinert ist Experte für Munitionsaltlasten am Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar). «Wenn denn Geld nicht unbedingt das Problem ist und man die Industrie machen lässt und das weiter sozusagen sanft pusht, kriegt man nach meiner Meinung die deutschen Ostseegewässer bis Ende 2040 munitionsfrei», sagte Greinert. In der Nordsee liege viel Munition im Sediment, von einer Bergung dort würde er zunächst Abstand nehmen.
Tagung in Kiel
Von Mittwoch bis Freitag diskutieren internationale Experten in Kiel auf der zweiten Tagung «Munition Clearance Week». Nach Schätzung von Experten liegen am Grund von Nord- und Ostsee zusammen etwa 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und rund 5.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe. Zumeist wurden die Kampfstoffe nach Kriegsende dort versenkt. Ein Teil ist mit Schiffen untergegangen.
Die Granaten, Torpedos, Bomben, Minen und Patronen rosten seitdem vor sich hin und setzen Sprengstoffe wie etwa TNT frei, das als krebserregend gilt.
Laut dem Experten Matthias Brenner vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven seien nach 80 Jahren nun in der Nähe aller bekannten Lagerstätten von Munition im Meer die Explosivstoffe sowohl im Wasser als auch häufig im Sediment nachweisbar.
Bundesregierung stellt 100 Millionen Euro zur Verfügung
Bei Untersuchungen seien in Muscheln, die sich über Wochen oder Monate in einem Munitionsversenkungsgebiet aufhielten, bereits Konzentrationen nachgewiesen worden, die gefährlich sein könnten, sagte Jennifer Strehse vom Kieler Institut für Toxikologie und Pharmakologie. Bei Fischen beispielsweise seien keine Gesundheitsgefahren zu befürchten, selbst beim Verzehr eines belasteten Fisches pro Tag.
Die Bundesregierung hat für das Sofortprogramm zur Bergung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bislang gab es etwa Proberäumungen in der Lübecker Bucht.
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