Es wirkt ein wenig wie die berühmte Ruhe vor dem Sturm. An beinahe jedem Tag vor dem Nordduell bei Werder Bremen wurde rund um den VfL Wolfsburg ein anderes Szenario diskutiert. Muss nur der glücklose Trainer Paul Simonis gehen, wenn der Volkswagen-Club auch am Freitagabend im Weserstadion verliert (20.30 Uhr/Sky)? Oder fliegen dann auch der Sport-Geschäftsführer Peter Christiansen und der Sportdirektor Sebastian Schindzielorz gleich mit? Kommt danach der Ex-Manager Jörg Schmadtke wieder zurück? Oder sogar der ehemalige Trainer Bruno Labbadia?
Schon seit Wochen läuft nichts mehr zusammen bei den ambitionierten Wolfsburgern. Nur aus dem Inneren selbst drang in den vergangenen Tagen nichts Substanzielles mehr heraus. Einen «Club im Schwebezustand» nennt der «Kicker» das. Als ob der mächtige Aufsichtsrat mit mehreren aktiven und ehemaligen Topmanagern des Mutterkonzerns Volkswagen den großen Rundumschlag für die Zeit der Länderspielpause nach dem Werder-Spiel plant.
Simonis: «Ich bin positiv!»
Trainer Simonis steht deshalb am Freitagabend noch mehr unter Druck, als er das schon vor dem vergangenen Hoffenheim-Spiel (2:3) tat. Und der 40 Jahre alte Niederländer geht damit genauso um, wie er in seinen vier Monaten in Wolfsburg bislang immer auftrat: freundlich, hoch engagiert und sich vor alle stellend.
«Das ist normal im Fußball: Wenn du keine Spiele gewinnst, dann ist der Druck auf den Trainer groß», sagte Simonis am Donnerstag. «Ich hoffe, dass wir zusammen gute Arbeit leisten und weitermachen können. Ich bin positiv!»
Trainerdiskussionen und sportliche Krisen sind für den VfL nichts Neues. Bereits in den vergangenen vier Jahren verpasste der Club die angestrebte Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb. 2018 schaffte man es sogar, mit dem drittteuersten Kader der Liga nur Drittletzter zu werden.
Kaderplanung als Hauptproblem
So schlecht wie aktuell war die Stimmung in Wolfsburg aber schon lange nicht mehr. Vor allem das Vertrauen den Sportchef Christiansen hat gelitten. «Ich werde heute wieder nicht so schnell einschlafen können. Weil es einen beschäftigt, einen bedrückt und einen auf gut Deutsch auch richtig abfuckt», sagte Kapitän Maximilian Arnold nach dem 2:3 gegen Hoffenheim.
Der VfL steckt nicht bloß in einer herkömmlichen sportlichen Krise, in der dieser Transfer nicht eingeschlagen hat und jener Spieler verletzt ausfällt. Die Zusammensetzung des Kaders ist grundlegend missglückt, weil die großen Schwachstellen (Mittelstürmer) im Sommer nicht behoben wurden und andere Bereiche (Mittelfeld) dafür doppelt und dreifach besetzt sind.
Trainerkiller Werder Bremen
Das alles hemmt die Entwicklung und belastet die Atmosphäre, auch wenn Simonis am Donnerstag sogar einen Kernvorwurf zurückwies, der von seinen Spielern selbst geäußert wurde: Dass dieser Mannschaft die nötige Einstellung fehlt. «Ich verstehe, dass das eine ganz schwierige Zeit für die Spieler ist», sagte er. «Aber ich kann nicht sagen, dass die Spieler nicht hart arbeiten oder nicht in den Spiegel gucken. Das ist nicht so!»
Sollte Simonis in der nächsten Woche gehen müssen, wäre er in dieser Bundesliga-Saison schon der dritte Trainer, der seinen Job nach einem Spiel gegen Werder Bremen verliert. Das erging bereits Erik ten Hag bei Bayer Leverkusen und Gerardo Seoane bei Borussia Mönchengladbach so.
«Mitgefühl habe ich mit Trainerkollegen immer», sagte Werders Horst Steffen dazu. «Aber Mitleid habe ich nicht, wenn wir Fußball spielen. Wir wollen das Spiel gewinnen. Und es entscheiden andere, was danach passiert.»
Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten