Die militärische Aufrüstung in Deutschland kann Niedersachsen nach Einschätzung des neuen Ministerpräsidenten Olaf Lies neuen wirtschaftlichen Schwung verleihen. Der Operationsplan Deutschland, der die Landes- und Bündnisverteidigung organisiert, unterstreiche die besondere Verantwortung Niedersachsens etwa bei Logistikketten und Infrastruktur, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
«Es wird deshalb bei uns zusätzliche Investitionen in Straßen und Brücken geben müssen. Und die Bundeswehr braucht Waffen und Fahrzeuge. Hierin sehe ich große Chancen für Niedersachsen, die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land weiter voranzubringen», sagte Lies. «Wir haben die Möglichkeiten, einen ganz wesentlichen Beitrag für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu leisten und das Notwendige an Gerät, Technologie und Innovation und damit Wertschöpfung in Niedersachsen zu realisieren.»
Norddeutsche Wirtschaft profitiert von Rüstungsindustrie
Lies betonte, Deutschland und die Nato müssten verteidigungsfähig sein. «Europa muss dabei mehr Verantwortung übernehmen, weil man sich derzeit nicht auf den Partner USA unter der Trump-Administration verlassen kann», sagte der Regierungschef. Innerhalb Europas wiederum müsse Deutschland eine führende Rolle einnehmen. Deswegen werde stärker in die Verteidigungsfähigkeit investiert.
Die Wirtschaft in Norddeutschland läuft derzeit besser als in anderen Regionen. So legte das Bruttoinlandsprodukt in Niedersachsen im vierten Quartal 2024 um 1,4 Prozent zu, während Deutschland insgesamt einen Rückgang um 0,2 Prozent verzeichnete. Der Aufschwung in der Rüstungsindustrie spielt dafür nach Ansicht von Experten eine zentrale Rolle.
Kriegsschiffe von Meyer Werft und Rheinmetall-Kooperation mit VW?
Neben der bestehenden Produktion in Niedersachsen, etwa mit dem Rheinmetall-Werk in Unterlüß, gibt es Überlegungen, auch Standorte, die bisher zivil genutzt wurden, für militärische Zwecke heranzuziehen.
So sagte der Sanierer der vor allem für Kreuzfahrtschiffe bekannten Meyer Werft, Ralf Schmitz, kürzlich dem «Handelsblatt», man prüfe, welche Rolle die Werft im militärischen Bereich grundsätzlich spielen könne. Wenn sich das Unternehmen vor allem auf die Verteidigung konzentrieren würde, könne es mit seinen überdachten Docks vier bis fünf Fregatten in Serie bauen.
Rheinmetall lotet zudem eine mögliche Zusammenarbeit mit VW am Standort Osnabrück aus. Regierungschef Lies sagte dazu, Volkswagen habe die Verantwortung, für diesen Standort eine Lösung herbeizuführen. «Bis 2027 werden dort noch Cabrios gebaut. Ob die Lösung danach auch im Automobilbau liegen wird, ist eine andere Frage», sagte Lies. «Ich bin da für alle Gespräche offen.»
Anschreiben zur Wehrpflicht «sehr klug»
Mit Blick auf die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sagte Lies, den Weg von Verteidigungsminister Boris Pistorius, alle jungen Menschen in den geeigneten Altersstufen anzuschreiben, finde er sehr klug. Damit sensibilisiere man die Menschen dafür, sich die Frage zu stellen, ob sie bereit wären, zur Bundeswehr zu gehen. Daneben müssten aber auch die Strukturen für Unterkunft und Ausbildung bei der Bundeswehr wieder ausgebaut werden.
Lies hat selbst eine Bundeswehr-Vergangenheit: Im Marinearsenal in seiner Heimat Wilhelmshaven hat er eine Ausbildung zum Funkelektroniker absolviert. «Ich war 1988/89 bei der Bundeswehr – das war eine andere Zeit als heute, wir waren damals im Kalten Krieg. Da haben wir als Wehrdienstleistende ein Stück Verantwortung übernommen», sagte der Ministerpräsident.
Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten