Zwei Aktivisten sollen für Schäden nach einem Einbruch in einen Schlachthof im Landkreis Vechta aufkommen. Sie begingen Hausfriedensbruch und müssen dafür zahlen, wie das Landgericht Oldenburg urteilte. Eine Tierschützerin soll darüber hinaus Schadenersatz zahlen, weil sie Aufnahmen von der Betäubung von Schweinen veröffentlicht hat.
Aufnahmen von Schweinen in Panik
Die Aktivisten drangen in der Nacht auf den 5. Mai 2024 in den Betrieb in Lohne ein. Auf den heimlich aufgenommenen Videos ist zu sehen, wie Schweine in eine Gondel getrieben und damit in einen Schacht gefahren werden, um dort mit hochkonzentriertem Kohlendioxid betäubt zu werden. Dies ist eine gängige Schlachtmethode. Die Aufnahmen zeigen, dass die Schweine unruhig werden und schreien.
Nach Überzeugung des Gerichts ist die Aktivistin dafür verantwortlich, dass die Organisation Animal Rights Watch das Material veröffentlicht hat. Sie sei eine «Störerin», auch wenn sie idealistisch gehandelt habe. Ihrem Kollegen konnte die Verbreitung der Aufnahmen nicht nachgewiesen werden. Beide müssen die Anwaltskosten tragen.
Aktivisten wehren sich gegen Urteil
Die Aktivisten kündigten an, das Urteil anzufechten. «Damit werden wir uns natürlich nicht abfinden», sagte die Beklagte Anna Schubert. «Was ist ein Hausfriedensbruch im Vergleich zu einem Erstickungstod?» Die Aufnahmen müssten gezeigt werden. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, dürfte das Material nicht mehr von Schubert auf der Seite der Organisation Animal Rights Watch hochgeladen werden.
Auch der Beklagte Hendrik Haßel möchte nicht aufgeben. «Wir werden natürlich dafür kämpfen, dass die Bilder online bleiben.» Die Gesellschaft müsse über das Leid der Tiere informiert werden. «Die Bilder zeigen ganz klar: CO2 ist keine Betäubung», sagte Haßel. «CO2 bedeutet Atemnot, Panik und Schmerzen.»
Betäubung mit CO2 nach EU-Recht erlaubt
Die Methode ist nach Einschätzung der Juristin Barbara Felde ein Verstoß gegen das deutsche Tierschutzgesetz. «Das ist meines Wissens auch relativ unstreitig, und jeder weiß das und gibt das auch zu», meint die Vize-Vorsitzende der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht. Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) habe schon 2004 festgestellt, dass Tiere unter CO2 leiden.
Entscheidend ist allerdings das EU-Recht, wonach die Betäubung mit CO2 bis heute erlaubt ist. «Das heißt, es überlagert grundsätzlich das nationale Recht, setzt dieses quasi außer Kraft», erklärt die Juristin. Das Vorgehen ist also rechtlich erlaubt, wenn auch umstritten.
Schlachthof: Betäubung ist «die beste Methode»
Der Betreiber des Schlachthofs beruft sich auf diese Verordnung. «Die CO2-Betäubung ist derzeit die europarechtlich und im deutschen Tierschutzrecht zugelassene Standardmethode für die Betäubung von Schweinen vor der Schlachtung und wird von uns tierschutzkonform unter ständiger Aufsicht durchgeführt», teilte Niko Brand mit.
Auf seiner Internetseite informiert der Schlachthof über das Vorgehen - und die Konsequenzen für die Tiere: «Vor Eintritt der Bewusstlosigkeit kann es zu Abwehrreaktionen der Schweine in Form von Lautäußerungen, Kopfschütteln und Maulatmung kommen.» Und weiter heißt es: «Durch die Phase des Luftschnappens ist die aktuell von uns genutzte CO2-Betäubungstechnik nicht ohne Kritik. Unter Einbezug aller Aspekte ist diese jedoch die beste Methode.»
80 Prozent der Schweine werden mit CO2 betäubt
Nach Angaben des Verbands der Fleischwirtschaft ist die Betäubung von Schweinen mit CO2 europaweit üblich. «In Deutschland werden schätzungsweise 80 Prozent der Schweine mit diesem Verfahren betäubt», meint Geschäftsführer Steffen Reiter. Das Betäuben und Schlachten werde nur von Fachpersonal übernommen. In jedem größeren Schlachtbetrieb gebe es zudem Tierschutzbeauftragte und behördliche Veterinäre, die den Prozess begleiten und überwachen.
Aus Sicht des Verbands ist die Methode alternativlos. «Verfahren wie die Elektrobetäubung sind in Großbetrieben meist nicht praktikabel», erklärte Reiter. Der Einsatz von Gasen wie Helium oder Argon sei noch in der Erprobungsphase. «Die Gase stehen teilweise auch für einen großflächigen Einsatz in der Menge gar nicht zur Verfügung.»
Tierschutzrechtlerin plädiert für Elektrozange
Juristin Barbara Felde hält das für vorgeschoben und setzt sich für die Betäubung mit der Elektrozange ein. «Die muss natürlich – um tierschutzgerecht zu sein – korrekt vorgenommen werden. Das braucht Zeit», sagte Felde.
Es sei ein Scheinargument, dass Schweine dabei zu sehr unter der Trennung von ihren Artgenossen leiden würden. «Es ist für die Schweine mindestens genauso schlimm – wenn nicht gar sehr viel schlimmer – in dem Paternoster in den CO-2-Keller zu fahren und dort teilweise über eine Minute Todeskampf zu durchstehen – das dann aber mit anderen Schweinen zusammen», betonte die Tierschutzrechtlerin.
Wie viel Geld müssen die Aktivisten zahlen?
Der Betreiber des Schlachthofs und die beiden Aktivisten haben nun einen Monat Zeit, um das Urteil anzufechten. Sollte es rechtskräftig werden, muss in einem weiteren Verfahren die Höhe des Schadensersatzes festgelegt werden. Der Betreiber des Schlachthofs fordert 98.000 Euro.
Die Aktivisten wollen nicht zahlen - und halten die Summe ohnehin für viel zu hoch. «98.000 Euro können die Privatinsolvenz von Anna Schubert bedeuten», sagte Haßel. Die Tierschützer sammeln nach eigenen Angaben Geld, um das Verfahren zu finanzieren. Sie kritisieren, dass die Forderung Aktivisten einschüchtern soll.
Staatsanwaltschaft hat Strafbefehle beantragt
Für die Tierschützer könnte der Einbruch auch noch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft hat den Erlass von Strafbefehlen beantragt. Der Vorwurf: Die beiden Aktivisten haben Beihilfe zum Hausfriedensbruch begangen.
Der Fall liegt nun beim Amtsgericht Vechta. «Die Sache befindet sich in der Prüfung», teilte ein Sprecher des Amtsgerichts mit. Noch sei unklar, ob die Strafbefehle erlassen werden. Dann könnte das Gericht eine Strafe verhängen, ohne dass es zu einer Verhandlung kommt. Die Aktivisten hätten in dem Fall zwei Wochen Zeit, um dagegen Einspruch einzulegen.
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