Der Mann, der im Juni 2018 eine 16-jährige Schülerin in Barsinghausen getötet hat, ist nach Überzeugung des Landgerichts Hannover für den gewaltsamen Tod einer zweiten Frau verantwortlich. Der 31-jährige Deutsche wurde wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Zudem wurde Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Verteidigung kündigte Revision an.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte, der seit Juni 2018 im Gefängnis ist, nur zwei Monate vor der Tötung der 16-jährigen Anna-Lena ebenfalls nachts in der Kleinstadt Barsinghausen eine 55 Jahre alte Frau mit ähnlicher Brutalität getötet hat. Laut Anklage übte er massive Gewalt unter anderem gegen Hals und Kopf aus, würgte die Frau und legte die Leiche an einem Bachlauf ab. Er habe die Frau vor dem Überfall nicht gekannt.
Richter sieht bei beiden Taten «auffällige Parallelen»
«Wir haben auffällige Parallelen», sagte der Vorsitzende Richter Martin Grote. Die Tatorte seien nur 600 Meter voneinander entfernt, beide Leichen waren teilweise entkleidet, in beiden Fällen habe der Täter einen Schuh beziehungsweise beide Schuhe neben dem Opfer drapiert. Zudem hätten sowohl die 16-Jährige als auch die 55-Jährige eine «völlig überzogene, maßlose Gewalteinwirkung» erlitten. Der Täter habe «eine riesige Wut in sich».
Er habe mit der Tat nichts zu tun, beteuerte der Angeklagte in seinem letzten Wort. Es fanden sich jedoch DNA-Spuren von ihm an mehreren Stellen des Trolleys, der Jacke und an einem Schuh der 55-Jährigen, die sich häufig im Trinker-Milieu aufhielt. Schon 2018 kam der Verdacht auf, dass der vorbestrafte Gewalttäter die ältere Frau ebenfalls umgebracht haben könnte.
«Wen habe ich in den letzten sechs Jahren umgebracht?»
Im Fall Anna-Lena hatte der Deutsche die Tötung nicht eingeräumt - dieses Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Während der Urteilsbegründung am Dienstag stöhnte der 31-Jährige, der Hand- und Fußfesseln trug, mehrfach auf und lachte spöttisch. Als es um die Sicherungsverwahrung wegen seiner anhaltenden Gefährlichkeit ging, rief der Mann mit dem jugendlichen Gesicht und kahl rasierten Kopf empört: «Wen habe ich in den letzten sechs Jahren umgebracht?»
Im Prozess Ende 2018 war der Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Der damals 24-Jährige hatte zu diesem Zeitpunkt acht Vorverurteilungen, war nur kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden und lebte in einem Obdachlosen- und Flüchtlingsheim.
Schülerin vor Grundschule mit schwerem Ast erschlagen
Anna-Lena hatte ihren späteren Peiniger im Juni 2018 spätabends zufällig am Bahnhof kennengelernt. Er bot an, sie nach Hause zu begleiten. Vor einer Grundschule erschlug er die Schülerin mit einem 9,5 Kilogramm schweren Ast, Passanten entdeckten am nächsten Morgen die blutüberströmte Leiche.
Zu Gunsten des Angeklagten wertete das Gericht lediglich, dass die Ermittlungen im zweiten Fall sehr lange gedauert haben. Laut Verteidiger Christian Neumann wurde erst Anklage erhoben, nachdem sein Mandant einen Brief an das niedersächsische Justizministerium geschrieben und sich über die lange Verfahrensdauer beschwert hatte.
Angeklagter begeht weitere Gewaltdelikte im Gefängnis
Für den Prozess um den gewaltsamen Tod der 55-Jährigen wurde erneut ein psychiatrischer Gutachter eingesetzt. Dieser stellte fest, dass keine Aufarbeitung der ersten Tat stattgefunden habe, worauf die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer hinwies. Der 31-Jährige war auch in der Haft durch weitere Gewaltdelikte aufgefallen - oft nach Provokationen, wie der Richter sagte.
In Sicherungsverwahrung kommen Menschen, die nach langjähriger Haft noch immer als gefährlich gelten. Sie bleiben nach dem Verbüßen ihrer regulären Freiheitsstrafe weiterhin weggesperrt.
Das Gericht folgte mit seinem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte einen Freispruch aus Mangel an Beweisen gefordert. Der Angeklagte habe sich niemals in seinem Leben im Trinker-Milieu bewegt, argumentierte Neumann. Die DNA-Spuren an Trolley und Jacke der Getöteten könnten auch von einer zufälligen Begegnung in einem Einkaufsmarkt oder an einer Bushaltestelle stammen.
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