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Vom Europacup träumen, im Abstiegskampf aufwachen: Der harte Realitätsschock für den VfL

Im Bundesliga-Alltag zählt jeder Moment – auch für den VfL, der dringend Stabilität braucht. / Foto: (Augustin-Foto) Jonas Augustin
Im Bundesliga-Alltag zählt jeder Moment – auch für den VfL, der dringend Stabilität braucht. / Foto: (Augustin-Foto) Jonas Augustin

Der VfL Wolfsburg startete mit großen Erwartungen in die Saison, stürzte aber nach sechs Niederlagen aus sieben Spielen tief ab. Der Artikel analysiert Prognosen, Abwehrprobleme, Effizienz, Strukturen und zeigt, warum die Krise mehr Ursachen hat als nur den Trainer.

Paul Simonis kam mit Rückenwind aus Deventer nach Wolfsburg. Nach seinem Überraschungscoup mit Go Ahead Eagles schien der nächste Karriereschritt logisch. Auch der VfL spürte diesen Aufbruch – zumal der Start ordentlich verlief. Doch ab Ende September kippte alles. Sechs Niederlagen aus sieben Ligaspielen, ein frühes Pokal-Aus und der Absturz in der Tabelle. Nach nur zwölf Pflichtspielen war für Simonis schon wieder Schluss.

Wolfsburgs Prognosen im freien Fall

Nicht nur die Fans begrüßten den Neustart unter Paul Simonis mit viel Zuversicht. Auch Wettanbieter ohne OASIS sahen den VfL als Kandidaten für eine stabile Saison. Ein Platz im Mittelfeld galt fast als gesetzt. Und die Tür Richtung Europa? Stand zumindest einen Spalt weit offen. Die Prognosen wirkten stimmig, denn der Kader schien breit genug – und der Trainer galt als spannendes Projekt.

Doch kaum ein Team im Oberhaus hat seine Ausgangslage so drastisch verändert wie Wolfsburg. Heute zählen die Wölfe zu den gefährdeten Mannschaften, auf Augenhöhe mit Augsburg, Mainz oder dem HSV. Einziger kleiner Trost: St. Pauli und besonders Heidenheim schneiden im Tabellenkeller noch schwächer ab. Und auch wenn saisonale Hochrechnungen oft danebenliegen, zeigen sie eines: Prognosen sind Momentaufnahmen. Wolfsburg hat also noch immer Zeit, das Ruder herumzureißen.

Zahlen, die die Krise erklären

Ein Blick auf die xG-Werte lässt tatsächlich Hoffnung zu. Wolfsburg müsste laut Datenmodell rund fünf Punkte mehr haben und zwei Plätze höher stehen. Offensiv fehlen 1,5 erwartbare Treffer, defensiv kassierte das Team drei unnötige Gegentore. Die Ineffizienz ist sichtbar – vorne wie hinten.

Die größte Baustelle bleibt die Abwehr. Ein einziges Spiel ohne Gegentor und im Schnitt fast zwei Gegentreffer pro Partie sprechen eine deutliche Sprache. Dennoch steckt Potenzial im Zahlenwerk. Wolfsburg fängt pro Spiel elf Bälle ab – Ligabestwert. Dazu kommen 32,8 Klärungsaktionen (Platz vier) und 14,4 Tackles (Platz neun). Die Laufwerte sind ebenfalls solide: Platz elf bei den Kilometern, Platz zehn bei den Sprints und Platz acht bei intensiven Läufen. Das zeigt: Einsatz und Aktivität stimmen.

Im Angriff zeigt sich ein ähnliches Muster. Wolfsburg schießt oft genug, im Schnitt 12,9 Mal pro Partie, und kreiert mit 2,5 Großchancen auch mehr als viele Konkurrenten. Doch die Verwertung bleibt mangelhaft. Fast 70% dieser Großchancen bleiben ungenutzt – ein ligaweit schwacher Wert. Obendrein kommt Pech dazu. Fünf Aluminiumtreffer bedeuten Rang drei in dieser Kategorie, gleichauf mit dem HSV.

Die Krise hat viele Väter - nicht nur den Trainer

Der freie Fall in Richtung Zweitklassigkeit ist längst nicht nur das Ergebnis des kurzen Intermezzos von Paul Simonis. Wer nach Ursachen sucht, landet schnell im Aufsichtsrat. Von acht Mitgliedern sind nur zwei unabhängig von VW. Neben Oberbürgermeister Dennis Weilmann sitzt mit Diego Benaglio nur ein Experte mit sportlichem Hintergrund im Gremium – allerdings wohnend in Zürich und mit seinen Aufgaben beim Schweizer Verband voll ausgelastet. Der Rest stammt aus dem VW-Kosmos, viele ohne tiefere Fußballkenntnisse und bereits in ihren Hauptfunktionen stark beansprucht.

Auch in der sportlichen Führung häufen sich Fehler. Geschäftsführer Peter Christiansen und Sportdirektor Sebastian Schindzielorz standen lange hinter Simonis, gleichzeitig aber auch im Zentrum der Kritik. Und selbst wenn der junge Trainer Fehler machte, zeigt die Historie, wie kurz die Halbwertszeit in Wolfsburg ist. Seit dem Abschied von Dieter Hecking, der Pokalsieger wurde und den Klub in die Champions League führte, verschliss der VfL zwölf Trainer in neun Jahren. Kontinuität sieht anders aus – und genau diese fehlt in entscheidenden Momenten.

Fazit: Viel zu reparieren, aber noch nichts verloren

Die Probleme des VfL lassen sich nicht auf eine Personalie reduzieren. Es ist das große Ganze, das nicht funktioniert: Entscheidungsstrukturen, sportliche Ausrichtung, personelle Stabilität. Soll der Klub seine Saisonziele noch erreichen, braucht es klare Einschnitte – und zwar nicht nur auf der Trainerbank. Positiv ist aber: Wolfsburg verfügt über Ressourcen, Strukturen und einen Kader, der deutlich stärker ist als die aktuelle Tabelle suggeriert. Wenn die Verantwortlichen die richtigen Entscheidungen treffen, kann der Verein sich aus dem Tabellenkeller verabschieden. Die Wende ist möglich. Doch sie muss endlich konsequent angegangen werden.