Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg, die Mannheimer Todesfahrt Anfang März oder zuletzt der Messerangriff am Hamburger Hauptbahnhof: Nach allen drei Verbrechen wurden psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen der Täter sowie der Täterin bekannt. Die 39-Jährige, die im Mai in Hamburg 19 Menschen verletzte, war nur einen Tag vor der Messerattacke aus einer psychiatrischen Klinik im Landkreis Cuxhaven entlassen worden.
Um derartige schwere Gewalttaten zu verhindern, arbeitet das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen derzeit an einem landesweiten Konzept für ein Bedrohungsmanagement. Eine zentrale Rolle spielt nach Behördenangaben dabei der Umgang mit psychisch auffälligen Straftätern.
«Ich habe die Hoffnung, dass wir noch in diesem Jahr feste Strukturen für den Umgang mit psychisch Kranken, die Straftaten begehen könnten, festlegen und in den Behörden implementieren», sagte LKA-Präsident Thorsten Massinger der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Thema beschäftigen sich ihm zufolge sowohl eine länderübergreifende als auch eine niedersächsische Arbeitsgruppe.
Erhöhtes Risiko bei Schizophrenien und andere Psychosen
Es gehe darum, frühzeitig eine Art Gefahrenradar zu entwickeln und in den Austausch mit anderen Akteuren zu treten, sagte Massinger. Im Umgang mit Personen, die sich politisch radikalisierten, gebe es bereits etablierte Strukturen für einen solchen Austausch. Gleiches gelte für den Bereich der häuslichen Gewalt, auch hier gebe es Fallkonferenzen.
Schwere psychische Erkrankungen können ein Risikofaktor sein, eine Gewalttat zu begehen. Eindeutig gesichert ist das erhöhte Risiko bei Menschen mit Schizophrenien und andere Psychosen sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch. Die überwiegende Mehrheit der Erkrankten sei aber nicht gewalttätig, betont die Fachgesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie DGPPN. Therapie sei das beste Mittel zur Gewaltprävention.
Vielzahl von Menschen muss in den Blick genommen werden
Laut Massinger wird bisher in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht ausgewertet, ob ein Straftäter psychisch auffällig ist. «Wir haben da Nachholbedarf im Hinblick darauf, wie das Lagebild tatsächlich ist», sagte der LKA-Präsident. Es könnten keine verlässlichen Aussagen getroffen werden, ob es mehr von psychisch Erkrankten begangene Gewalttaten gebe als in der Vergangenheit.
Zweifelsohne gehe es um eine «Vielzahl von Menschen», sagte der 47-Jährige. Kommunen und soziale Einrichtungen hätten die Verantwortung dafür, dass die Betroffenen angemessen ärztlich behandelt werden.
Der LKA-Chef sagte, dass sich Niedersachsen an guten Lösungen in einzelnen Kommunen oder in anderen Bundesländern orientieren werde. In Bayern zum Beispiel gibt es sogenannte Präventionsambulanzen, die sich an psychisch kranke Menschen mit erhöhtem Aggressions- und Gewaltpotenzial richten. Diese Patienten bekommen dort nicht nur ärztliche Therapie, sondern ihnen wird zum Beispiel auch bei der Wohnungssuche oder bei Verschuldung geholfen.
Fallkonferenzen können Verbrechen verhindern
Mit Fallkonferenzen und Gefährdungseinschätzungen können laut Massinger Gewalttaten bis hin zu Tötungen von Frauen durch den Partner oder Ex-Partner verhindert werden. «Dass wir sie ganz ungeschehen machen, das wird uns wahrscheinlich leider nicht gelingen», sagte der Behördenleiter. Gleiches gelte für Taten psychisch kranker Gewalttäter. Massinger betonte: «Durch klare Strukturen und klare Prozesse sorgen wir aber dafür, dass wir mehr dieser Menschen auf dem Schirm haben.»
Am 23. Mai war die Messerstecherin am Hamburger Hauptbahnhof nur dank des mutigen Eingreifens von zwei jungen Männern gestoppt worden. Ein Haftrichter ordnete die vorläufige Unterbringung der Frau in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Nach der Tat wurde bekannt, dass die 39-Jährige schon zuvor dreimal gewalttätig geworden sein soll. Unter anderem soll sie ihren Vater in Großhansdorf in Schleswig-Holstein mit einem spitzen Gegenstand attackiert haben.
In Hamburg wurde bereits zum 1. August von der Innen-, Sozial- und Justizbehörde das Hamburger Netzwerk für personenbezogenes Risikomanagement gegründet. Durch einen besseren Informationsaustausch der beteiligten Stellen sollen im Umgang mit psychisch Kranken mögliche Fremdgefährdungen früher erkannt und abgestimmte Hilfs- und Gefahrenabwehrmaßnahmen ergriffen werden.
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